Kirschlorbeerpflanze mit Blütenständen

Kirschlorbeer – zu Unrecht verschrien? Warum die Lorbeerkirsche in unseren Gärten wichtig ist

Kurzfassung: Kirschlorbeer (Prunus laurocerasus) ist immergrün, bietet Sichtschutz, blüht im Frühjahr, liefert Pollen und Nektar für Insekten und Früchte für Vögel. Im Garten lässt sich seine Ausbreitung durch Schnitt regulieren. Im Wald sollte er mit Bedacht betrachtet werden – doch er ist längst Teil der dynamischen Natur, die sich ständig wandelt.

Blüten, Pollen & Nektar: Wertvolle Nahrung für Insekten

Kirschlorbeer blüht im Frühjahr oder auch im Sommer mit duftenden, weißen Traubenblüten. Diese Blüten sind reich an Nektar und Pollen und damit echte Nahrung für Honigbienen, Wildbienen, Hummeln, Schwebfliegen, Käfer und sogar Wespen. Wer die Hecke blühen lässt, trägt aktiv dazu bei, dass Insekten im eigenen Garten eine verlässliche Futterquelle finden.

Wer besucht den Kirschlorbeer?

  • Bienen & Wildbienen: nutzen Blüten im Frühjahr als frühe Energiequelle.
  • Schwebfliegen & Käfer: wichtige Bestäuber, die den Nektar gerne anfliegen.
  • Wespen: trinken Nektar an Blüten oder an Blattdrüsen.
  • Blattläuse: treten auf, liefern aber auch Nützlingen wie Marienkäfern und Schwebfliegenlarven Nahrung.
  • Dickmaulrüssler: fressen Blätter an – ein Hinweis, dass der Strauch Teil eines funktionierenden Nahrungskreislaufs ist.

Bodenleben und Sauerstoffproduktion

Kirschlorbeer geht Symbiosen mit Mykorrhiza-Pilzen ein. Diese verbessern die Nährstoffaufnahme und beleben den Boden. Ein zusätzlicher Vorteil: Da der Strauch immergrün ist, betreibt er das ganze Jahr über Photosynthese und produziert dadurch kontinuierlich Sauerstoff – ein „Abfallprodukt“, von dem Mensch und Tier profitieren.

„Invasiv!“ – ist Kirschlorbeer wirklich so gefährlich?

Oft heißt es: „Kirschlorbeer ist invasiv.“ Ja, in Wäldern kann er sich ohne Pflege ausbreiten und dichte Bestände bilden. Doch im Garten sieht die Lage ganz anders aus. Durch Schnitt wird die Samenbildung reduziert, sodass eine unkontrollierte Ausbreitung praktisch ausgeschlossen ist.

Und selbst wenn sich Kirschlorbeer verbreitet: Ist das wirklich schlimm? Der Klimawandel verschiebt Pflanzen- und Tierlebensräume. Viele Arten, die früher nicht bei uns wachsen konnten, fühlen sich heute wohl. Auch Apfel, Tomate oder Kartoffel sind eigentlich „fremd“ und stammen aus Asien oder Südamerika – heute sind sie fester Teil unserer Kultur. Warum also beim Kirschlorbeer so streng sein?

Aktueller Studienstand (Deutschland) – kurz & ehrlich

Für Deutschland liegt bislang eine publizierte, peer-reviewte Feldstudie speziell zum Kirschlorbeer im Wald vor: eine kurze Invasion Note in Biological Invasions (2024). Der Hauptartikel umfasst 8 Seiten (Vol. 26, 2379–2386) und wird durch ein umfangreicheres Supplement mit zusätzlichen Tabellen/Methoden ergänzt.

  • Ort & Design: Kottenforst bei Bonn; 24 Transekten à 500 m × 6 m, Erfassung von Individuenzahl, Größe, Altersstruktur (Jahrringe) sowie Kontrolle des Fruchtansatzes.
  • Charakter: Querschnittserhebung (kein Jahrzehnte-Monitoring). Die Daten zeigen eine Etablierung mit invasivem Potenzial, aber keine Langzeit-Impact-Zeitreihe.

Quelle: Abrahamczyk S. et al. (2024) – Naturalization of Prunus laurocerasus in a forest in Germany (mit Supplement).

Einordnung & offene Fragen

Angesichts der bisherigen Evidenz stellt sich die Frage: Reicht eine einzige kurze Feldstudie ohne Langzeit-Monitoring aus, um die Art pauschal als „hoch invasiv“ zu etikettieren? Und selbst wenn man diese Einstufung teilen würde – wie gravierend sind die ökologischen Folgen flächig betrachtet und in welchen Kontexten (Waldnähe vs. Siedlungsrand, gepflegte Hecken vs. verwilderte Bestände)?

Frankfurt/Main: bislang selten beobachtet

Eine städtisch-waldökologische Erhebung in Frankfurt/Main (23 Waldflächen, 2011–2016) zeigt zahlreiche neophytische Gehölze – der Kirschlorbeer wurde dort jedoch sehr selten festgestellt (im Vergleich zu anderen Neophyten). Das unterstreicht die regionale Variabilität der Art.

Quelle: Gregor T. & Kasperek G. (2021) – Non-native woody plant species in urban forests of Frankfurt/Main (Tuexenia 41: 133–145)

Darf Kirschlorbeer auch im Wald wachsen?

Wälder verändern sich durch Stürme, Borkenkäfer, den Klimawandel und menschliche Eingriffe. Lücken entstehen, neue Arten siedeln sich an. Wenn dort ein paar Quadratmeter Kirschlorbeer zwischen Buchen oder Fichten wachsen – ist das wirklich ein Problem? Er verdrängt nicht automatisch alles andere. Sein immergrünes Laub sorgt sogar dafür, dass er ganzjährig Sauerstoff produziert und Struktur in den Wald bringt.

Natürlich ist Vorsicht in naturnahen Schutzgebieten geboten. Doch pauschal zu sagen, der Kirschlorbeer dürfe im Wald nicht vorkommen, greift zu kurz. Natur lebt von Dynamik und Vielfalt – und auch der Kirschlorbeer ist Teil dieses Prozesses.

Pflanzenrassismus? Ein Denkanstoß

Die Einteilung in „heimisch“ und „nicht heimisch“ ist oft eine sehr starre Sichtweise. Pflanzen wandern seit Jahrtausenden, durch Vögel, Wind oder den Menschen. In einer globalisierten Welt und mit dem Klimawandel ist es fraglich, ob man Pflanzen streng in „gut“ und „böse“ einteilen sollte.

Man könnte überspitzt sagen: Die strikte Ablehnung des Kirschlorbeers erinnert an eine Art „Pflanzenrassismus“. Stattdessen sollten wir fragen: Welche Funktion erfüllt die Pflanze? Welche Vorteile bringt sie? Und wo kann sie wirklich problematisch sein? Jede Pflanze hat das recht zu wachsen, warum muss man beim Kirschlobeer eine Ausnahme machen?

Blüten schneiden oder Früchte lassen?

Viele Gärtner schneiden die Blüten nach der Blüte zurück, um Samenbildung und Ausbreitung zu verhindern. Doch dadurch fehlen die Früchte, die im Spätsommer und Herbst von Vögeln wie Amseln, Drosseln und Staren gefressen werden. Wer also Natur fördern will, sollte nicht alle Blütenstände entfernen. Ein gesunder Mittelweg ist sinnvoll: Teile der Hecke fruchten lassen, andere schneiden. So profitieren Insekten und Vögel gleichermaßen.

Praxis-Tipps für naturverträgliche Pflege

  1. Blühen lassen: Hecke erst nach der Blüte schneiden, damit Insekten Nahrung finden.
  2. Früchte zulassen: Nicht alle Blüten entfernen, um Vögeln im Herbst Nahrung zu bieten.
  3. Samenbildung begrenzen: Teilweises Schneiden senkt das Ausbreitungsrisiko.
  4. Mischhecken pflanzen: Kirschlorbeer mit heimischen Sträuchern kombinieren.
  5. Nützlinge fördern: Wildblumen und Unterpflanzungen anlegen.
  6. Schnittgut richtig entsorgen: Kein Grüngut in Wald oder Natur kippen.

Fazit: Kirschlorbeer im Garten und im Wald

Der Kirschlorbeer ist kein ökologischer Bösewicht. Im Garten bietet er Insekten Nahrung, Vögeln Früchte und Unterschlupf sowie Mikroorganismen Lebensraum. Selbst im Wald kann er punktuell wachsen, ohne gleich das Ökosystem zu zerstören. Wichtig ist der verantwortungsvolle Umgang: Blühen lassen, Fruchtbildung teilweise zulassen, Vielfalt fördern. In Zeiten des Klimawandels sollten wir weniger über „heimisch“ oder „fremd“ streiten – sondern mehr über Vielfalt und Funktionen sprechen.